Ihr Fahrrad tut nicht richtig. Also geben Sie es in eine Werkstatt. Wie läuft das ganze ab? Und wie ist eigentlich das rechtliche Verhältnis zwischen Kunde und Reparaturbetrieb geregelt?
Geregelt ist in Deutschland ALLES. Selbst wenn Sie es nicht wissen, gehen Sie jeden Tag Verträge mit verschiedenen Unternehmen ein. Sie steigen in die Strassenbahn. Jetzt haben Sie einen Beförderungsvertrag mit dem Betreiber der Strassenbahn geschlossen. Sie gehen ins Freibad. Dort gibt es eine Hausordnung oder eine Badeordnung, die alles regelt. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Unternehmen regeln ihre Geschäftsbeziehungen über die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“, kurz AGB. Diese Bedingungen sind notwendig, um die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten zu regeln und sind - wertfrei betrachtet - eigentlich gut, weil sich vorher schon jemand Gedanken darüber gemacht hat, was alles passieren kann oder könnte. Diese AGBs hängen in der Regel irgendwo in den Geschäftsräumen des Reparaturbetriebs aus und können somit eingesehen werden. Mit der Erteilung eines Reparaturauftrages an die Fahrradwerkstatt gelten diese als akzeptiert, ohne dass diese dem Kunden jeweils ausgehändigt werden müssten.
Auch das kein böser Wille - schliesslich kann nicht in jedem Fall eine rechtliche Diskussion über die Fahrrad-Reparatur erfolgen, sonst wäre ein Anwalt in jeder Werkstatt notwendig. Es gibt allerdings auch Stolperfallen, in die Kunden (oder auch Auftragnehmer) stürzen können. Wie können diese vermieden werden?
1. Auftragsumfang festlegen
Gemeinsam mit der Reparaturwerkstatt sehen Sie sich das Fahrrad an und vereinbaren, was repariert werden soll. Dieser Umfang sollte auf der Reparaturkarte der Werkstatt vermerkt werden. Fragen Sie, was die zu erwartenden Kosten sind und lassen Sie dies ebenfalls auf der Reparaturkarte vermerken. Dabei handelt es sich um einen ungefähren Kostenvoranschlag.
2. Schriftlichen Kostenvoranschlag verlangen
Wenn Sie es genau wissen wollen, sollten Sie um einen schriftlichen Kostenvoranschlag bitten. Das bedeutet Arbeitsaufwand, und wird von der Werkstatt sicher abgelehnt, wenn es sich um Mini-Reparaturen von vielleicht 20 Euro handelt. Bei grösseren Reparaturen, besonders auch bei fremdverursachten Unfallschäden ist jedoch ein schriftlicher Kostenvoranschlag sinnvoll. Dieser kann von 20 bis 40 Euro kosten - ist also nicht in jedem Fall kostenlos. Die Werkstatt kann diese Kosten mit der Reparatur verrechnen, sie muss es aber nicht.
Ein Kostenvoranschlag ist dennoch immer eine Schätzung. Eine unwesentliche Überschreitung der darin genannten Kosten müssen Sie in Kauf nehmen. Die Rechtsprechung geht hier von 10 bis 20 Prozent aus. Wird im Verlauf der Reparatur festgestellt, dass weitere, möglicherweise versteckte Schäden am Rad vorhanden sind, so muss die Werkstatt Sie informieren, damit Sie entscheiden können, ob Sie bereit sind, diese zusätzlichen Kosten zu tragen. Die bis dato entstandenen Kosten, also die Höhe des Kostenvoranschlages müssen Sie auf jeden fall bezahlen, auch wenn ggf. das Rad in diesem Fall nicht verkehrssicher bzw. fahrbereit ist. Eine Zwickmühle, sowohl für die Werkstatt, als auch für Sie.
3. Sonderfall fremdverursachter Unfallschaden
Bei Unfallschäden zahlt die Versicherung. Denken Sie. Die Versicherung jedoch denkt anders. Sie hat stets den Zeitwert des Fahrrades oder den Wiederbeschaffungswert desselben im Blick. Was heisst das? Grundsätzlich können die Reparaturkosten nur nach Kostenvoranschlag oder Sachverständigengutachten abgerechnet werden. Allerdings wird von einem hohen zeitlich gestaffelten Wertverlust in den ersten Jahren ausgegangen: Nach zwei Jahren liegt dieser nur noch bei 50 Prozent, nach acht Jahren bei 25 Prozent des Kaufpreises (OLG Düsseldorf1 U 234/02). Überschreiten die Reparaturkosten den Zeitwert des Rades, wird von einem sogenannten Totalschaden ausgegangen. Die Versicherung wird in einem solchen Fall nur den Zeitwert des Rades ersetzen, nicht aber die Reparaturkosten.
Die Beispielrechnung: Ihr Rad hat vor acht Jahren 800 Euro gekostet. Der Kostenvoranschlag der Werkstatt beläuft sich auf 300 Euro. Die Versicherung zahlt nach acht Jahren Reparaturen bis zum Zeitwert des Rades, 25 Prozent von 800 Euro, also 200 Euro. Der Werkstatt jedoch ist das Verhalten der Versicherung egal. Sie haben den Auftrag erteilt, und Sie müssen die Rechnung zahlen, auch wenn Sie von der Versicherung nur einen Teil erhalten. Blöd gelaufen.
4. Und wem gehören die Altteile?
Altteile, also die ausgebauten, ersetzten Teile, gehören Ihnen. Es ist jedoch in der Regel so, dass in den AGBs festgehalten ist, dass die Altteile entsorgt werden können. Das hat einen praktischen Grund. Die Werkstatt kann kaum für jedes Rad einen zusätzlichen Lagerplatz freiräumen, in dem die kaputten Teile gelagert werden. Und: Wollen Sie wirklich die alten Reifen haben? Wenn Sie kein Vertrauen zur Werkstatt haben, können Sie Ihr Rad auch nicht reparieren lassen. Und andersrum: Die Werkstatt vertraut auch Ihnen als Kunde und investiert Sachverstand, Zeit und Geld.
5. Die Werkstatt verlangt eine Lagergebühr für mein Rad. Darf Sie das?
Eine Lagergebühr für ein Fahrrad entsteht dann, wenn Sie Ihr Rad nach Reparatur nicht abholen. Der Ablauf: Die Werkstatt ruft Sie an und teilt Ihnen mit, dass Ihr Rad fertig ist. In der Regel wird von einer Abholung innerhalb von einer Woche ausgegangen. Die Werkstätten haben häufig sehr wenig Lagerraum und müssen damit haushalten. Daher findet sich in vielen AGBs eine Klausel zum Thema Lagergebühr. Diese kann sich auf ca. 3 bis 5 Euro pro Tag belaufen. Wenn Sie also Ihr Rad erst nach drei Monaten abholen, kann das durchaus 90 Tage mal 3 Euro, also 270 Euro kosten. Nach einem festgelegten Ablauf und einer bestimmten Zeit kann die Werkstatt Ihr nicht abgeholtes Rad auch verkaufen. Das alles ist in den AGBs festgehalten.
6. Das Rad ist angeblich repariert. Es funktioniert trotzdem nicht. Was tun?
Auch im Fachbetrieb kann etwas schief gehen. Das Wichtigste im Falle eines Streites ist: Darüber reden. Gehen Sie dabei nicht auf Konfrontationskurs, sondern denken Sie lösungsorientiert. Dann gibt es für beide Seiten einen Weg. Die Gesetze sehen die Lage so: Ist das Rad trotz Reparatur immer noch kaputt, hat die Werkstatt die Chance einer Nachbesserung, d.h. sie sollte ohne weitere Kosten versuchen, den Schaden zu beheben.
Wenn der Schaden nach zwei Versuchen der Nachbesserung immer noch vorhanden ist, spricht man von einer fehlgeschlagenen Nachbesserung. In diesem Fall haben Sie die Möglichkeit, vom Reparatur-Vertrag zurückzutreten oder die Reparatur-Rechnung zu mindern. Ein Rücktritt ist nur bei erheblichen Mängeln zulässig, eine Minderung auch bei unerheblichen. Was heisst das? Wenns gar nicht funzt, können Sie Ihr Geld zurückfordern. Wenns halbwegs funzt, fordern Sie einen Teil zurück.
Fehlgeschlagene Reparaturen kommen in der Praxis meist bei komplexen Teilen vor, häufig bei E-Bikes. Daher werden in vielen Werkstätten kaum Instandsetzungen von Motoren und Controllern durchgeführt, sondern gleich ersetzt. Oft lassen sich diese Bestandteile bauartbedingt gar nicht reparieren. Dann kommt nur ein Austausch in Frage, was wirklich teuer ist, der Motor z.B. kann leicht 600 Euro ohne Arbeitslohn für den Einbau kosten. Und es kommt noch schlimmer. Gerade bei älteren E-Bikes gibt es keinerlei Teile mehr.
Wie finde ich also die richtige Werkstatt?
Das ist zugegebenermassen schwierig. Von aussen können Sie leider die Qualität des Betriebs nicht erkennen. Sie können natürlich im Netz nachsehen, ob es Bewertungen gibt. Dabei sollten Sie allerdings bedenken: Meist hinterlassen nur unzufriedene Kunden Bewertungen. Der zufriedene Kunde hat kaum Mitteilungsbedürfnis. Eine gewisse Qualität ist bei Betrieben vorauszusetzen, die Mitglied der Handwerkskammern sind. Fragen Sie also nach, ob dem so ist.
Wenn Sie jemanden kennen, der viel Fahrrad fährt, dann fragen Sie hier mal nach. Hardcore-User haben meist einen Tipp für die Werkstatt des Vertrauens. Vielleicht hat auch der örtliche ADFC eine Idee, wer da tätig werden könnte. Es gibt darüber hinaus spezialisierte Reparatur-Betriebe. Dort hinzugehen ist gerade bei E-Bikes sinnvoll. Auch für ältere Fahrräder und Oldtimer gilt das. Hier ist die Ersatzteil-Versorgung ausschlaggebend. Diese Werkstätten haben möglicherweise noch die notwendigen Teile für die Reparatur am Lager.
Auch Rennräder haben spezielle Reparatur-Betriebe. Fragen Sie nach, ob dort Campagnolo gesprochen wird. Wenn es um die Instandsetzung eines hochwertigen Renners geht, sollten Sie auf Nummer sicher gehen, gerade was Orginal-Teile betrifft. Hier kann man nicht ein anderes Schaltwerk montieren, sondern sollte sich an der zeitgeschichtlich richtigen Schaltgruppe orientieren.
Schlussendlich: Reparatur kostet Geld. Wenn Sie Billig-Billig wollen, sollten Sie sich nicht wundern, wenn der Service schlecht und das Ergebnis mickrig ist. Nicht selten kostet eine Reparatur mehr als 200 Euro. Allerdings funktioniert es hinterher wieder einige Jahre. Und für 200 Euro bekommen Sie kein neues Rad, jedenfalls kein anständiges, sondern nur ein sogenanntes Baumarkt-Rad minderer Qualität. Zudem macht es aus ökolgischer Sicht wenig Sinn, ein einsatzfähiges gebrauchtes Rad wegzuwerfen, da in der Herstellung des Rades viel Energie gebraucht und CO2 Ausstoss gemacht wurde. Entscheidend für die Nachhaltigkeit ist praktisches Tun, und nicht nur darüber reden.
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(Christoph Preussler)