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Unser Fahrrad-Zoo - Folge 1

Unser Fahrrad-Zoo - Folge 1 - Reparadius
Bildquelle: Firstbahn AG

Lesezeit: ca. 9 min

Wichtiger Hinweis zum Aufmacherbild: Nur hier braucht man ein Mountainbike: In den Mountains. Der Tipp für den Radler: Von Grindelwald aus mit der Firstbahn hoch. Einfache Strecke für 32 Franken. Runter geht es dann von alleine: Anderthalb Stunden und rund 1100 Höhenmeter.

Wenn allenthalben die Vögel tschilpen und das Jahr erwachet, so erwächst im Bundesbürger die Lust am Radeln. Er (oder Sie) begibt sich also in den Keller, um nach dem Zweirad zu sehen. Was aber, wenn selbiges geklaut oder nur noch ein alter Schrotthaufen ist? Dann muss ein Neues gekauft werden. Diese Serie soll dem geneigten Leser helfen, die verschiedenen Spezies des Fahrrad-Zoos kennen zu lernen und stellt eine wertvolle Kaufberatung für den Unkundigen dar.

Das Mountainbike

Das Mountainbike (kurz MTB) will in den Bergen herumfahren. Wer englisch kann, hat das schon erraten: Berg-Radl. Weil es in den Bergen fahren will, bringt es dicke Reifen mit groben Stollen und eine Federung mit. Wenn es nicht durch den Dreck und über Stock und Stein rumpeln darf, ist es traurig. Es will nicht in die Eisdiele schaukeln, sondern ins Engadin.

Das gemeine Mountainbike ist fürsorglich und beschützt die wertvollsten Teile des Körpers. Das macht es mit seiner Federung, besonders die von vorne dran. Damit verhindert es ein Aua zwischen den Beinen, wenn z.B. ein böses Schlagloch nach dem Fahrer schnappt. Oder auch nach der Fahrerin schnappt. Dabei kriegt aber das MTB nach einiger Zeit leicht selber ein Aua, weil die Gabel anfängt zu wackeln. Beim Fahrrad-Doktor wird dann die Therapie teuer. Wer nichts vom Wackeln hält, fährt halt nicht über Stock und Stein, sondern nur über Stöckchen und Steinchen. Oder greift zur Unterspezies der sog. Hartschwänze. Diese Population der Mountainbikes hat keine Federung. Man nennt sie auch Hardtail.

Kann man ein MTB artgerecht halten, wenn keine Liebe zu Bergen besteht? Wie verträgt sich die Sehnsucht des Fahrers nach glattem Asphalt mit der angeborenen Wildheit des Fortbewegungstieres? Verhaltensforscher berichten von einer Zähmbarkeit in Maßen. Das MTB soll angeblich auch mit glatten Reifen fahren können. Auch gut ist eine gewisse Beleibtheit beim MTB: Fette Rahmenrohre sorgen für Stabilität. Sonst aber ist das MTB ein bisschen ein Prahlhans, weil es mit wilden Zahnrädern und Hörnern am Lenker winkt.

Bildunterschrift: Die Unterspezies des MTB, das Fatbike, zeichnet sich durch übergewichtige Reifen aus. Hier das Modell Dude CF 8 von Canyon für 2.500 Euro (Bildquelle: Canyon)

Das Baumarkt-Rad

Das Baumarkt-Rad ist ein bemitleidenswertes Geschöpf. Es steht meistens einsam als Baumarkt-Exot auf einer Aktions-Fläche herum, mit einem Aktions-Schild am Lenker, wo ganz gross geschrieben ein ganz kleiner Aktions-Preis drauf ist. Wichtig, dass ganz viele Aufkleber auf dem Rad sind, mit markigen Sport-Sprüchen. Das Baumarkt-Rad ist ein Blender, der dem Käufer die Augen verdreht. Sowas wie ein zweirädriger Playboy. Mit Matte im Ausschnitt.  

Von der Vererbungs-Lehre her (Mendel!) ist der Vater vom Baumarkt-Rad ein MTB, die Mutter ein Wasserleitungs-Rohr. Daher ist das Kind ein wenig mißgestaltet. Die Herkunft von der Wasserleitung kann der Fahrrad-Rahmen nicht verbergen: Olle Rohre und dazu noch gewaltig schwer.

Der Baumarkt verkauft das Baumarkt-Rad nur, weil er eigentlich Werkzeug verkaufen will. Das funktioniert. Das Baumarkt-Rad hält nicht lange, der Kunde kommt bald wieder, kauft Rohrzange, Schraubenzieher und Kabelbinder. So vergeht das Jahr. Im Herbst kommt das Baumarkt-Rad in den Keller. Und im Frühjahr wird ein neues Baumarkt-Rad gekauft.

Mit der Wildkamera aufgenommen: Eine Rotte Baumarkträder bei der Rast. (Bildquelle: Welzel, de-rec-fahrrad.de)

Das Rennrad

Das Rennrad ist ein Schnell-Fahr-Tier. Es will rennen, nicht stolzieren, gehen oder laufen. Meistens. Manchmal stolziert zwar ein Colnago zum Italiener wg. Cappuccino, aber das kommt nur in München vor. Es mag auch keinen Regen. Weil es keine Schutzbleche hat. Das führt zu unschönen Mustern auf dem Fahrzeugführer. Weil die Felgen ganz dünne sind, mag das Rennrad keine Randsteine. Aber: Das Rennrad übersetzt die Kraft des Fahrers am besten in die Fortbewegung. Rennräder sind sowas wie Windhunde. Die wiegen nix und haben lange Haxn.

Ein Rennrad braucht viel Zuwendung. Die schmalen Reifen brauchen hohen Druck, den man oft checken muss. Sonst rollt es nicht richtig und die Reifen gehen hinüber. Superviele Gänge am Hinterrad brauchen superviel Einstellarbeit. Weil die Schaltwege kurz sind und die Kette dünn. Voll geil sind die kombinierten Schalt-Bremshebel, weil man sich ganz aufs Fahren konzentrieren kann, ohne dass man gross rumhebeln muss. Zum Einkaufen ist das Rennrad zu ungeduldig, es hat oft auch keinen Seitenständer. Beim Anlehnen kriegt es dann Macken. Praktisch ist, dass der Einkauf nicht herunterfallen kann weil es keinen Gepäckträger gibt.

Wer sich ein Rennrad zulegen will, muss für genügend Auslauf sorgen, sonst kriegt das Rennrad Arthrose. Und es gibt eine Kleiderordnung für den geneigten Radsport-Enthusiasten. Käppi und kurze Hosen sind angesagt. Tweedsakko geht nur, wenn das Rad vor 1930 hergestellt wurde.

Wer in Anzug radeln will, braucht ein Rennrad vor 1930. Damit kann er dann auch auf den Tweed-Run gehen. Gibt es in vielen Städten, z.B. London oder Stuttgart. (Bildquelle: www.tweedrum.com)

Das E-Bike

Da müssen wir uns kurz in die Pflanzenwelt begeben. Der Herr Mendel hat mal was herausgefunden über die Vererbungs-Lehre. Sowas mit Kreuzung und Genen. Das hat man bei E-Bike gemacht. Das E-Bike ist eine Kreuzung zwischen Mofa, Panzerspähwagen und Fahrrad. Mofa, weil es von selber fährt. Panzerspähwagen, weil es schwer wie ein Panzer ist und alle immer spähen, ob das Dings teuer war. Ja und Fahrrad, weil es entfernt an ein solches erinnert.

Das E-Bike ist ein Kind der Convenience-Gesellschaft. Das ist englisch und heisst soviel wie Bequemlichkeit. Und die kann man keinem vorwerfen. Wem Kochen zuviel Arbeit ist, kann beim Pizza-Service bestellen. Es gibt auch Toiletten, die das lästige Geschäft der Gesäss-Reinigung automatisch erledigen. D.h.: Man kann sich das Leben schön bequem machen, muss aber überlegen, wozu das führt, ausser zu Übergewicht.

Beim E-Bike führt das erstmal zu Kosten. Weil teuer beim Kauf. Und auch hinterher, weil der Akku nach wenigen Jahren schwächelt. Teuer auch die Arztkosten, weil es gern kränkelt. Was keiner erzählt: E-Bikes sterben früh. Schon mal ein altes E-Bike in freier Wildbahn gesehen? Unpopulär, aber: Das ist Umweltbelastung und Ressourcenverschwendung.

Wer sich ein E-Bike halten will, sollte ein Handicap oder Schmerzen bei Bewegung haben. Wer unter 60 ist und solche Weh-Wehchen nicht hat, braucht es nicht, sondern ist nur zu bequem und zahlt dafür viel Geld. Glauben Sie Trimmy: Treten hält fit.

Das ist Trimmy. Er sagt: Wer radelt, bleibt fit. Das trifft allerdings nicht auf den E-Bike-User zu. Der bleibt so unsportlich wie er war und tendiert zu Hüftengold. (Bildquelle: Deutscher Sportbund)

Das Holland-Rad

Vom Aussehen her ist das Holland-Rad gewandet wie ein Schlachtross, so ein Kriegspferd von den Rittern früher. Überall ist Panzerung dran: Rockschutz hinten. Damit der Rock nicht in die Speichen kommt. Kettenschutz in der Mitte. Damit der grosse Zeh nicht in die Kette kommt.

Das Holland-Rad kommt in der Natur meistens nur in Holland vor. Das liegt daran, dass es kaum Gänge hat und man wegen der Rahmenhöhe drauf sitzt, wie der Affe auf dem Schleifstein, so ganz aufrecht. Obwohl es ja in Holland schon viel Wind gibt und mit dem aufrechten Sitzen dann oft wenig geht. Aber das muss man die Holländer fragen.

Niederländische Räder sind ausgesprochen gutmütig. Das liegt u.a. am Lenker. Ich will jetzt nicht sagen, dass der Lenker eigentlich „englischer Lenker“ heisst. Das würde den Leser nur durcheinander bringen. Aber der Lenker ist das Tollste am ganzen Rad. Das Fahrgefühl ist ungefähr wie beim Siebenkommafünf-Tonner: Man sitzt oben, hat die Übersicht und ist König der Landstrasse. Wenn ebenes Gelände ist. In Stuttgart oder in Grindelwald ist dann Ende Gelände. Berge mag das Holland-Rad nicht. Es will auch nicht hetzen, sondern liebt Gemächlichkeit. Wer Entschleunigung braucht und die Langsamkeit entdecken will, hat hier einen Verbündeten.

Bildunterschrift: Das Holland-Rad. Von der Nobelmarke Gazelle. Der Name täuscht: So ein Bike ist eher was zum gemächlich fahren. (Bildquelle: Gazelle)

Der Fahrrad-Zoo hat noch mehr Bewohner. Das City-Rad. Das Vintage-Bike. Das Bonanza-Rad. Das Gravel-Bike. Doch das ist der nächsten Folge der beliebten Serie „Unser Fahrrad-Zoo“. (Christoph Preussler)

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