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Das Heute für morgen bewahren - Wie Sie am sinnvollsten eine Sammlung beginnen

Das Heute für morgen bewahren  -   Wie Sie am sinnvollsten eine Sammlung beginnen - Reparadius
Radkappen sammeln: Die hier abgebildeten können Sie im Netz bei Jeff Bezos kaufen. Vier Stück kosten 620 Euro. Am Strassenrand sind sie billiger. (Bildquelle: Amazon)

Lesezeit ca. 10 min

Vergangene Kulturen können aus ihren zurückgelassenen Artefakten rekonstruiert werden. Dabei geht es meist nicht um hochstehende Relikte wie Skulpturen, Friese, Bauten und Bilder. Sondern um Müll. Römische und mittelalterliche Latrinen verraten dem Wissenschaftler mehr über den Alltag früherer Jahrhunderte als schriftliche Überlieferungen aus der jeweiligen Zeit. Daher ist es wichtig, in der Jetzt-Zeit Dinge zusammen zu tragen, die den nachfolgenden Generationen Auskunft über unser Leben geben können.

Was liegt also näher, als eine Sammlung zu eröffnen? Vorher jedoch muss Aufgabe und Inhalt geklärt werden. Es ist sinnlos, die hundertste Sammlung zu einen bestimmten Thema zu erstellen. Daher gilt es, eine Alleinstellung und Orginalität des Sammlungsgegenstandes im Auge zu halten. Im Nachfolgenden einige Vorschläge, die dem kulturinteressierten Collecteur sowohl inhaltlich wie auch systematisch eine wertvolle Hilfe sein können.

Legen Sie zunächst fest, wo Sie die Artefakte verwahren wollen (und können). Es macht wenig Sinn, Sattelschlepper zu sammeln, wenn Sie kein weitläufiges Areal mit Hallenbebauung zur Verfügung haben. Wenn Sie lediglich eine Schublade bereitstellen können, ist es besser, eine Sammlung kleinerer Gegenstände zu beginnen, die die Grösse einer Stecknadel nicht überschreiten sollten. Vermeiden Sie nach Möglichkeit verderbliche Gegenstände. Die Konservatoren der Museen haben hier im Bereich der Eat-Art bereits negative Erfahrungen gemacht. Bestehen Sie dennoch darauf, sollten Sie sich rechtzeitig nach einem Kühlhaus umsehen.

Auch die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel weisen den Sammler in eine Richtung. Machen Sie einen kleinen Finanzplan. Wenn Sie nicht über die Gelder einer pseudoreligiösen Gruppe wie z.B. Bhagwan Shree Rajneesh verfügen, sollten Sie keine Rolls-Royce Pkw zusammentragen. Wir wollen uns aus den vorgenannten Gründen daher im Bereich der kostenlosen Gegenstände umsehen. Fundstücke der Alltagskultur sind deswegen auch wertvoll, weil sie mit ihrem zahlenmässigen Auftreten eine Aussage über die Verbreitung und den Einsatz machen. Im nachfolgenden einige Tipps zu lohnenswerten Sammlungsgegenständen.

Die Radkappe: Sie ist kostenlos. Lediglich das Auflesen derselben kann schwierig sein, da z.B. das Anhalten oder eine Vollbremsung auf der Autobahn nicht gerne gesehen werden. Radkappen teilen sich in zwei Gruppen: Typenbezogen und auf die Felgengrösse bezogen. Es gibt welche aus Metall und welche aus Kunststoff. Die letzten Dekaden werden meist jene aus Kunststoff eingesetzt. Metall-Radkappen sind zwischenzeitlich selten und haben durchaus einen Sammlerwert, der bei manchen Typen in den vierstelligen Bereich reicht.

Der Steckdosen-Ausschnitt: Werden in Arbeitsplatten oder Wandvertäfelungen Steckdosen gesetzt, so wird eine kleine, runde Säge verwendet. Da bekanntlicherweise am Ende nur das Loch verwendet wird, bleibt der Ausschnitt ohne Interesse. Mit diesen Ausschnitten lässt sich sehr schön die historische Entwicklung von Oberflächen-Dekoren darstellen. Bitten Sie den Operateur der Säge im Fachmarkt, die Ausschnitte für sie zurück zu halten. Machen Sie Besuche bei grossen Messen, bevor diese eröffnet werden. Die Hallenböden sind davon übersät. Da die Ausschnitte in der Mitte ein Loch haben, können Sie einfach mit einem grösseren Nagel an der Wand befestigt werden. Tipp: Die Beschriftung mit annageln.

Der Haar-Gummi: Im öffentlichen Raum Deutschlands bis vor der Corona-Epidemie einer der häufigsten textilen Fundgegenstände. Vor der Archivierung vorsichtig bei dreissig Grad zu waschen. Die Klassifizierung sollte nach Material, Farbe und Ästetik erfolgen. Hier bietet sich dem Sammler ein breites Feld für eine Übersicht der aktuellen Modetrends. Die Präsentation kann auf abgesägten Besenstiel-Stücken erfolgen.

Das Hüft-Gelenk: Hüftgelenk-Operationen haben eine deutliche Zunahme erfahren. Nach ihrem Ableben haben die meisten Menschen keine Verwendung mehr dafür. Zur Beschaffung sollten Sie mit den Hilfskräften in Krematorien konspiratorischen Kontakt aufnehmen. Da es hier nicht ohne Bakschisch abgehen wird, ist ein Finanzplan unabdingbar. Tipp: Wenden Sie sich an die Hersteller. Da die Qualität der Prothesen gering ist, wird es zahlreiche Rückläufer aus den Kliniken geben. Diese können Sie mit dem Hinweis auf ihre Sammlungstätigkeit vermutlich kostenlos bekommen.

Die ausgetrocknete Qualle: Mollusken sind aufgrund ihres hohen Wasseranteils schwierig zu archivieren. Nicht so, wenn das Tier durch Sonnentrocknung am Strand bereits gedörrt wurde. Achten Sie darauf bei Ihrem nächsten Strand-Urlaub. Die dünnen Scheiben, die der Wind vor sich hertreibt, könnten für Sie von Interesse sein. Für grössere Exemplare lohnt sich eine Reise in heissere Gebiete, wie z.B. an die Skelettküste von Namibia.

Die Kronprinz Wilhelm. Sie liegt in Scapa Flow am Meeresgrund. Sicher werden hier hier die eine oder andere Geschosshülse finden. Sie dürfen sich bloss nicht dabei erwischen lassen. (Bildquelle: Imperial War Museum / Wikipedia)

Die Geschoss-Hülse: Beim Abfeuern von Projektilen bleibt stets die Geschosshülse, die den Treibsatz enthielt, zurück. Die Grössen sind vielfältig, sie reichen von Fingernagel-Grösse bei einer Kleinkaliber-Patrone bis hin zur Bodenvasen-Grösse bei Schiffs-Geschützen. In heimischen Gefilden finden Sie diese öfter bei Schrotthändlern. Billiger und leichter zu finden sind sie jedoch in Krisengebieten. Bei der Auswahl des Reiseziels sollten Sie darauf achten, dass dort möglichst viele Waffengattungen verwendet werden. Eine Reise in afrikanische Rebellengebiete macht hier wenig Sinn, da dort aufgrund mangelnder Finanzkraft der Aufständischen nur Kalaschnikow-Hülsen zu finden sind. Bei der Suche nach Hülsen von Schiffs-Geschützen empfiehlt sich ein Tauch-Urlaub. Reiseziele könnten sein die Orkney-Inseln, Scapa Flow oder bestimmte Gegenden des Pazifiks. Nicht abgefeuerte Geschosse sollten Sie vermeiden. Reizvoll ist auch die Umarbeitung von Hülsen zu wichtigen Alltags-Gegenständen wie z.B. Blumenvasen, eine Tätigkeit, die u.a. bei den Soldaten des ersten Weltkriegs beobachtet wurde.

Geschosshülse von unten: Die Dokumentation Ihrer Sammlung wird dadurch erleichtert, dass die Hülsen sowohl den Hersteller wie auch das Herstellungsdatum an der Unterseite eingepunzt haben. (Bildquelle: Nikolaus von Nathusius / Wikipedia)

Die Atemschutz-Maske: Ein neues Interessen-Gebiet. Mit dem Abklingen der Corona-Epidemie bietet sich die einmalige Chance, kostenlos an grössere Bestände zu kommen. Da die Masken-Verordnungen gefallen sind, sind die im Einzelhandel angebotenen Exemplare für den Verkäufer wertlos geworden. Auch ein aufgedrucktes Verfallsdatum treibt dem Sammler die Masken in die Arme. Aus gesundheitlichen Gründen sollten nur neue Masken in die Bestände aufgenommen werden. Auch zum Aufbau eines Gebäudes für die Präsentation oder auch nur für die Produktion von Zwischenwänden lassen sich Bestände an Masken verwenden. Sie brauchen dafür nur eine einfache Kastenform für Kuchen sowie Zwei-Komponenten Kunstharz. Die mit dem Harz getränkten Masken werden in der Form geschichtet. Nach dem Abbinden des Harzes halten Sie einen stark wärmeisolierenden Baustein in ihren Händen. Sprechen Sie vorab mit den örtlichen Baubehörden, wenn Sie daraus ein grösseres Gebäude im Garten erstellen wollen.

Atemmasken als Sammelgegenstand: Der Zeitpunkt zum sammeln ist jetzt. Viele Millionen Masken sollen verbrannt werden. Leicht werden Sie die eine oder andere Million Masken kostenlos abgreifen können. (Bildquelle: Eternasolid)

Lassen Sie sich bei Ihrer konservatorischen Tätigkeit nicht durch die argwöhnischen Blicke ihrer Zeitgenossen beeindrucken. Gerade zunächst abstruse Sammelgegenstände lassen bei vielen Menschen Zweifel an Ihrem Geisteszustand aufkommen. Verweisen Sie hier auf die Tatsache, dass die Malerei von  Vincent Van Gogh zu seinen Lebzeiten keinen Pfifferling wert war oder darauf dass die Zeichnungen berühmter Maler nach ihrem Tod zum Einpacken von Fisch verwendet wurden.

Achten Sie auf die Dokumentation ihrer Collection. Sind Sie ein analoger Typ, so machen Sie das mit einem Karteikasten, als digital geprägter Mensch mit einer Excel-Tabelle. Fundort und Fund-Zeitpunkt sollten festgehalten werden. Die in der Dokumentation vergebene fortlaufende Nummer sollte unverlierbar am Fundgegenstand angebracht sein. Den Zettel können Sie z.B. mit einem Kabelbinder befestigen, sofern der Gegenstand ein Loch aufweist. Wenn nicht, bringen Sie die Dokumentation mit einem ablösbaren Klebestreifen an.

Vermeiden Sie Gespräche über Ihre Sammlertätigkeit, die nur zu Unverständnis oder Ärger führen. Nur Sie kennen den Weg. Gehen Sie ihn. Jetzt. (Christoph Preussler)

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